Hochsensibilität bei Kindern – was ist das und wie kann man damit umgehen?
Wir kennen sie alle, die „auffälligen“ Kinder, die schnell in eine Schublade gesteckt werden, aus der sie oft nur schwer wieder rauskommen. Doch wenn wir die Hintergründe verstehen, können wir ihnen helfen, mit den täglichen Situationen fertig zu werden. Denn kein Kind ist absichtlich so… es ist ein Symptom… und es gilt, die Ursache zu finden. Diese ist bei vielen Kindern eine Hochsensibilität, die schnell eine Reizüberflutung herbeiführt (was in unserer Welt sowieso immer schlimmer wird).
Das hochsensible Gehirn nimmt Dinge auf, die andere Menschen ausblenden. Reize, Eindrücke, Launen, Gedanken prasseln ungefiltert auf das Gehirn ein – ob man das nun möchte oder nicht. Es ist eine andere Bewusstseinsebene sozusagen. Da die Gesellschaft aber beurteilt, was wichtig ist und was nicht, haben es Hochsensible oft schwer und werden schnell in eine Ecke gestellt. Hier ein Beispiel: wenn ein hochsensibler Mensch z.B. ein Rennwagen ist, dann ist er dazu gemacht, schnell auf glatten Straßen zu fahren. Wenn er von einem Landwirt eingesetzt würde, so wäre er für den Landwirt ein schlechter Traktor.
Solche Kinder haben in Gruppen oft Probleme. Die Meinung, man könne solche Situationen einfach trainieren, ist längst überholt. Kindergarten, Schule & Co. sind für diese Kinder sehr anstrengend und sie brauchen Rückzugsmöglichkeiten, um damit umgehen zu können. Ein hochsensibles Kind ist mit dieser Umgebung oft und schnell überfordert. Doch anstatt diese Kinder zu verstehen und ihnen Möglichkeiten des Rückzugs zu bieten, werden sie meist als lästig und unerzogen beschrieben. Anstatt ihre Fähigkeiten und ihre Wahrnehmung bewusst zu sehen und sie in ihrer Individualität zu unterstützen, werden sie eher zum Psychiater oder in die Sonderschule geschickt.
Durch die ständige Überforderung reagieren – vor allem Kinder unter 6 Jahren – frustriert, unberechenbar oder sogar aggressiv. Schnell kippt eine Stimmung, was Eltern oft an den Rand der Verzweiflung bringt. Und schon ist der Teufelskreis entstanden. Die Kinder „funktionieren“ nicht wie es erwartet wird, werden dann als assozial betitelt und die Eltern werden oft herangezogen, um dem Kind auf irgendeine Weise klar zu machen, dass es zu funktionieren hat! Doch je mehr Druck und Anpassung verlangt wird, desto schlimmer. Es fühlt sich nicht ernst genommen… gesehen und rebelliert noch lauter. Hochsensiblität kann man nicht einfach abschalten.
Es nur drei Wege gibt, mit denen sich das Gehirn vor negativen Eindrücken schützt:
- Wahrnehmung ausblenden (Dinge ignorieren und verdrängen)
- Gefühle abschotten („alles egal“-Haltung, „cool-sein“)
- Nähe verweigern (sich von möglichen „Peinigern“ distanzieren, beleidigt sein oder schimpfen, „Einzelbrödler“)
Bei einem hochsensiblen Kind fehlt der erste Punkt. Sie können die Wahrnehmung nicht runterdrosseln oder ausschalten. Den Schulalltag z.B. können hochsensible Kinder nur überleben, wenn sie sich innerlich zurückziehen – sich abgrenzen… und somit schützen. Es lässt keine Nähe mehr zu und verkapselt sich. Es befindet sich ständig unter Stress. In so einer Umgebung kann es sich kaum entfalten. In einer ruhigen und reizarmen Umgebung können Eindrücke besser verarbeitet werden.
Für Eltern mit hochsensiblen Kindern ist es daher wichtig, berechenbar zu sein..und dadurch mehr Ruhe reinzubringen. D.h. einen Plan z.B. frühzeitig ankündigen und sich daran halten. Kurz vorher nochmal daran erinnern, indem man das Kind direkt anspricht (Blickkontakt aufnehmen und erklären, was als nächstes abläuft) – allerdings keinesfalls mit dem Satz „Schau mich an, wenn ich mit dir spreche!“.
Ein Kind, das eine gute Bindung zu jemandem hat, wird denjenigen auch anschauen. Wenn das nicht so ist, ist das ein Alarmsignal für den Erwachsenen und darf keinesfalls mit Druck verändert werden! Diese Kinder brauchen die oft genannte „Extra-Einladung“ auf freudlicher Basis. Auch Sätze wie: „Das musst du doch können, du bist doch jetzt schon x Jahre alt!“ oder „Stell dich nicht so an!“ sind hier völlig fehl am Platz.
Durch ein intensiveres Geschmacksempfinden kann selbst Essen zu einem Problem werden, das niemals mit Druck besetzt werden sollte. Oder Kleidung, die als sehr unangenehm empfunden wird, kann zur unüberwindbaren Hürde heranwachsen. Gerüche können Kopfschmerzen bereiten, etc. Das Gehirn eines solchen Kindes braucht daher Zeit und Ruhe, um sich zu entwickeln. Es und die Eltern müssen lernen damit umzugehen. Ein hochsensibles Kind braucht u.U. viel länger, um sich etwas zu trauen…einfach, weil die Konsequenzen für es härter sind als für andere.
Eltern stellen hier einen wichtigen „Puffer“ für die Kinder dar. Sie sind enorm wichtig, um das Umfeld zu „schulen“, auf die Thematik aufmerksam zu machen und auch ihr Kind zu sehen, es ernst zu nehmen, so dass es einen sicheren Ort hat und sich geschützt fühlen kann.
Hochsensibilität ist jedoch keine Krankheit – es ist nur eine höhere Empfindsamkeit. Es ist wichtig, dass wir lernen damit umzugehen, um auch unsere Kinder adequät unterstützen zu können. Es gibt viele Möglichkeiten…